Fussball durch Fussball

...oder warum wir möglichst viel in Spielformen trainieren...



Differenzielles Lernen

Trainieren in Spielformen sorgt durch Gegner, Raum- und Zeitdruck und ständig wechselnder Begleitumstände für "natürliche" Schwankungen in der technischen Ausführungen. Diese Schwankungen behindern nicht den Lernerfolg, sondern sind im Sinne des Differenziellen Lernens sogar vorteilhaft. Demnach ist es nicht erstrebenswert ein vermeindliches Idealbild einer Bewegung einzuschleifen, da jede Bewegung individuell verschieden ist und im Spiel in idealisierter Form praktisch nie auftritt. Umgekehrt ist es sogar so, dass die Variationen und Schwankungen einer Bewegung dafür sorgen, dass sich die Lernprozesse im Körper signifikant verbessern, da er so gezwungen wird, variabel zu reagieren und aus diesen Erfahrungen eine größere Erfolgstabilität generiert.


Entscheidungen treffen - Kreativität fördern

Trainiert man Kondition, Taktik oder Technik isoliert, müssen die Spieler keine eigenen Entscheidungen treffen. Der Ablauf und die Ausführungen sind vom Trainer bzw. durch den Aufbau vorgegeben. In Spielformen hingegen haben die Spieler ständig verschiedene Lösungsmöglichkeiten, was ihre Kreativität und ihren Spielwitz fördert. In Spielformen wird dem Spieler die Möglichkeit gegeben, sich auszuprobieren und dadurch seine Entscheidungsfindung zu stabilisieren. Auch das individual- und gruppentaktische Verständnis wächst mit jeder Trainingseinheit, in denen spielnah trainiert wird. Die Spieler werden ständig mit Situationen konfrontiert, in denen sie sich diverse Bewegungs- und Handlungsmuster aneignen und damit ihr taktisches Repertoire erweitern können.


Spielübersicht & Orientierung im Raum

Damit ein Fussballer die richtigen Entscheidungen treffen kann, braucht er gerade in Zeiten, in denen das Spiel immer schneller wird und viele Mannschaften auf intensives Pressing und Raumverdichtung setzen, möglichst viele Infomationen aus seiner Umgebung. Diese Informationen erhält er durch ein aufmerksames Umblickverhalten und durch ein gut ausgebildetes peripheres Sichtfeld. Wenn ein Spieler in isolierten Übungen vorgegebene Abläufe trainiert und ständig von außen Instruktionen bekommt, wird er die Notwendigkeit, seine Umgebung zu beobachten, nicht erkennen. Es entsteht die sogenannte Unaufmerksamkeitsblindheit. Dieser Entwicklung kann man vorbeugen, wenn man die Spieler weitestgehend unbeeinflusst in Spielformen trainieren lässt.  


Handlungsschnelligkeit

Johan Cruyff sagte mal: "Wenn ich ein bisschen eher loslaufe als der Gegner, wirke ich schneller". Was er damit meint, ist die Handlungsschnelligkeit. Damit Spieler Situationen im Spiel schneller vorausahnen und antizipieren können, müssen sie Spielerfahrungen sammeln und die bekommen sie in Spielformen. Zudem kann man in Spielformen durch einen passenden Übungsaufbau viele Umschaltmomente, also den Wechsel zwischen Angriff und Verteidigung, einbauen. In diesen Momenten wird ebenfalls die Handlungsschnelligkeit geschult, da sich die Spieler immer wieder blitzschnell auf eine neue Spielsituation einstellen müssen.


Implizites Lernen - Stimulieren statt Instruieren

Statt die Spieler immer wieder zu instruieren und sie mit Traineranweisungen zu überladen, sollte man sie lieber unbewusst und spielerisch ausbilden. Dies gelingt über Spielformen, in denen man die Lernziele durch die Rahmenbedingungen festlegt und dadurch Situationen schafft, in denen die Spieler selbstorganisiert Lösungen finden und Erfahrungen sammeln können. Zusätzlich kann man die Spieler über gezielte Fragestellungen selbst zu den Lösungsmöglichkeiten in bestimmten Spielsituationen führen. Das implizite Lernen ist erfahrungsgemäß wesentlich nachhaltiger und einprägsamer.


Stressresistenz

Nicht wenige Fussballer empfinden das Meisterschaftsspiel am Wochenende - vor allem mit steigendem Leistungsdruck - als Stress. Stress bedeutet vor allem Kontrollverlust, instabile Entscheidungsfindung und Verlust der Spielfreude. Dem kann man aber mit Spielformen vorbeugen. Durch den ständigen Gegnerdruck in Spielformen werden die Spieler spielnahem Stress ausgesetzt und gewöhnen sich an diese Situationen. Wenn man im Training die Räume, in denen gespielt wird, noch enger macht als im "richtigen" Spiel, wird der Spieler mit diesem Stress vertraut. Dann fühlt sich das Spiel in den größeren Räumen des "richtigen" Spiels auf einmal ganz leicht an.


Wettkampf-Mentalität

Hermann Hummels, Vater von Weltmeister Mats, sagte in einer Diskussionsrunde mal, dass heutzutage zu wenig wettkampforientiert trainiert wird. Die Folge seien zwar technisch und taktisch top ausgebildete Spieler, denen aber im Wettspiel oft die nötige Mentalität fehlt, um Spiele zu gewinnen. Er forderte, Trainingseinheiten mit mehr Gewinn-Charakter anzubieten. Wettkämpfe im Training sind aber nicht nur gut, um das Gewinnen zu lernen, sondern sie sorgen auch für eine hohe Übungsintensität. Es liegt in der Natur des Menschen, sich mit anderen messen zu wollen und dann besonders viel Ehrgeiz zu entwickeln. Diesen Trieb macht man sich in Spielformen zu nutze, um den richtigen "Zug" ins Training zu bekommen und den Spielern wettkampfnahe Spielerfahrungen zu ermöglichen.


Spass

Jeder kennt es aus der Schule oder dem Beruf: Wenn man Spaß an etwas hat, geht es leichter von der Hand und man lernt viel effektiver und nachhaltiger. Spielformen machen meist mehr Spaß als isolierte Übungen und stellen durch ihre Spielnähe einen direkten Bezug zum Meisterschaftsspiel am Wochenende dar. Dadurch dass man den Sinn der Lernens direkt vor Auge geführt bekommt, fällt einem das Lernen leichter. Zudem sind Spielformen abwechslungsreicher und spannender als isolierter "Drill", was die Lernmotivation stetig hoch hält.


Fussballspezifische Kondition

Kondition setzt sich zusammen aus Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit. All diese Aspekte trainiert man auch in Spielformen, quasi nebenher, ohne dass es die Spieler merken. Zudem trainiert man in Spielformen die Kondition genau wie man sie im Spiel braucht: Azyklisch, mit Phasen hoher und mit Phasen geringer Intensität, mit kleinen Zwischensprints, mit gleichmäßigen Läufen, mit schnellen Richtungswechseln, Zweikämpfen und Tempowechseln. Durch den Übungsaufbau (Spieleranzahl, Felddimensionen, Ziele, Aufgaben) kann der Trainer bei Bedarf die konditionellen Herausforderungen auf die gewünschten Lernziele anpassen.


Quellen und Inspiration:


Download
Abhandlung von Marco Henseling aus dem Trainertalk-Forum
Isoübungen vs. Spielformen.pdf
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